Sonntag, 13. Mai 2007

Präsidentenwahl in Türkei: Kandidat Gül fällt durch

Präsidentenwahl in Türkei: Kandidat Gül fällt durch
Fr Apr 27, 2007 8:11 MESZ

Ankara (Reuters) - Bei der Präsidentenwahl im türkischen Parlament ist der gemäßigt islamische Kandidat Abdullah Gül in der ersten Abstimmungsrunde gescheitert. Der bisherige Außenminister verfehlte die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit am Freitag um zehn Stimmen. Ein zweiter Wahlgang soll nun am Mittwoch stattfinden. Allerdings könnte das Verfassungsgericht noch einen Strich durch die Rechnung machen: Die streng weltlich orientierte Republikanische Volkspartei (CHP) ficht die Abstimmung an, da weniger als zwei Drittel der Abgeordneten an der ersten Runde teilnahmen.

Für Gül stimmten insgesamt 357 Parlamentarier. Sollte er auch im zweiten Wahlgang nicht die nötige Mehrheit erhalten, würde in der dritten Runde - aller Voraussicht nach am 9. Mai - die einfache Mehrheit reichen. Die Chefs der oppositionellen Mutterlandspartei wie auch der ebenfalls säkularen Partei des Rechten Weges hatten schon im Vorfeld angekündigt, den ersten Wahlgang zu boykottieren. Das weltliche Lager lehnt Gül wegen seiner islamistischen Vergangenheit ab. Sollte der Politiker in das höchste Staatsamt gewählt werden, wäre es das erste Mal, dass der traditionell von Säkularisten besetzte Posten in der modernen Türkei an einen ehemaligen Islamisten geht. Die Regierungspartei AKP würde dann auch alle politischen Schlüsselpositionen innehaben.

Regierungschef Tayyip Erdogan, der vor der Abstimmung noch an die Opposition appelliert hatte, am Wahlgang teilzunehmen, erklärte hinterher, Gül habe mehr Stimmen erhalten als zu erwarten gewesen sei. Die Regierung hoffe nun, dass im zweiten Wahlgang die nötigen 367 Stimmen erreicht würden.

Die weltlich orientierten Eliten einschließlich der einflussreichen Generalität werfen Erdogans AKP vor, die von Republikgründer Mustafa Kemal Atatürk festgeschriebene Trennung von Staat und Religion unterlaufen zu wollen. Die AKP verfügt im Parlament über eine große Mehrheit, um ihren Kandidaten Gül im dritten Wahlgang mit der erforderlichen absoluten Mehrheit durchbringen zu können.

Die kemalistische CHP kritisierte, sie und andere Parteien seien in der Frage eines Nachfolgers für den weltlich orientierten Präsidenten Ahmet Necdet Sezer nicht konsultiert worden. Sollte das Gericht nun der von der CHP eingereichten Klage gegen die Präsidentenwahl stattgeben, müsste die Regierung Neuwahlen ausschreiben. Die Richter wollen noch vor Mittwoch entscheiden. Sezer würde dann vorerst geschäftsführend im Amt bleiben. Dann würde das neue Parlament den Nachfolger Sezers wählen müssen. Dessen ungeachtet brachte Erdogan die Möglichkeit ins Gespräch, die für November geplante Parlamentswahl um zwei Monate vorzuziehen.

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